Freitag, 28. Januar 2011

Schlankheitskur

„Die Unternehmensgruppe Cherry in Auerbach hat den Lean Production Award für den Bereich Automotive erhalten.“[1]
Was Automotive sind, weiß ich nicht. Aber das macht wohl nichts, das Wort kennt ja auch sonst keiner. Daß ich nicht weiß, was „schlanke Produktion“ heißt, wiegt schon schwerer, denn das lese ich an allen Ecken und Enden. Darum habe ich bei Wikipe­dia nachgesehen:
„Shah und Ward (2007) verstehen ... schlanke Produktion allgemein als ‚integriertes soziotechnisches System, dessen Kernzielsetzung die Beseitigung von Verschwen­dung ist, indem gleichzeitig lieferantenseitige, kundenseitige und interne Schwan­kungen reduziert oder minimiert werden’“.[2]
Die Definition hat mich ob ihrer Komplexität etwas überfordert. Wieso es „Kernziel­setzung“ heißen muß, habe ich nicht begriffen; mit „Kernziel“ hätte man doch, soweit ich sehe, dasselbe ausdrücken können und wäre so dem der Vermeidung von Ver­schwendung, in diesem Fall von Buchstaben, nähergekommen. „Lieferantenseitig“ ist eine bemerkenswerte Erfindung, wenn sie auch an Schönheit nicht ganz den Wort­schöpfungen von Jean Paul gleichkommt, z. B. Weltschmerz, Gänsefüßchen und Schmutzfink oder dem leider nicht so erfolgreichen „augenfeurig“. Daß eine Produk­tion ein System sein soll, wollte mir zwar nicht einleuchten, aber das hätte ich hinge­nommen.
Ganz unruhig machte mich hingegen die Frage, wie man auf den Gedanken kommen konnte, eine Produktion gehöre zu den Gegenständen, denen man die Eigenschaft der Schlankheit zuschreiben kann. Es gibt doch auch keinen rechten Sinn, von einer Konfirmation oder Absolution, einer Konzentration oder Regulation zu behaupten, sie sei schlank. Immerhin habe ich nun erfahren, daß es eine indirekte Verbindung gibt. Der Eisenacher Opel-Betriebsratschef Harald Niesken brachte mich darauf:
"Wer weiß, wie unter Lean-Production-Bedingungen gearbeitet wird, der weiß, dass die Mitarbeiter ständig in Übung bleiben müssen. Da muss jede Bewegung sitzen, auf die Sekunde genau, auf die Zehntel-Sekunde sogar.“[3]
Wenn also auch die Produktion nicht schlank ist, so dürften es doch wenigstens die Produzenten in einer Firma sein, die sich der lean production verschrieben hat. Denn mit der einen Hand Schrauben festzudrehen und gleichzeitig mit der anderen Erd­nüsse in sich hineinzustopfen, das geht nicht, wenn jede Bewegung auf die Zehntel-Sekunde genau sitzen muß.

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