Montag, 10. September 2012

Das Wesen der Führernatur


Wikipedia erklärt uns unter dem Stichwort „Führungspsychologie“[1] zunächst, was Führung überhaupt ist. Das ist sehr löblich, denn wenn man das nicht weiß, wird man kaum verstehen können, was es mit der Führungspsychologie auf sich hat:
„Die Führung von Menschen stellt ein komplexes Phänomen dar, dessen Facetten nach differenzierter Betrachtung und Analyse verlangen.“
Zweifellos ist das zutreffend. Allerdings könnte man anstelle von Führung von Menschen auch Bratkartoffelbraten, Nasebohren, Gummistiefel, Maikäfer, Neujahrsansprachen und einige zehntausend oder hunderttausend oder wie viele es halt gibt andere Dinge und Vorgänge nennen. Alle erweisen sich, wenn man nur genau genug hinsieht, als komplex, und ihre Facetten verlangen allesamt nach differenzierter Betrachtung und Analyse. Wikipedia sollte sich bemühen, etwas mehr auf das Spezifische des vorzustellenden Gegenstandes einzugehen.
So geht es dann weiter: „Die Führungspsychologie leistet ihren Beitrag durch die Beschäftigung mit den Teilaspekten der Führung auf den verschiedenen Gebieten des menschlichen Zusammenlebens. In Anlehnung an Gibb nennt Lukascyk zur Führungspsychologie folgende vier Variablen, die miteinander in Beziehung stehen und als Wegbereiter der führungsbezogenen Interaktionstheorie gelten:
Die Persönlichkeitsstruktur der Führungskraft einschließlich ihrer angeborenen Begabungen, und Fähigkeiten als auch ihrer individuellen Erfahrungen.
                Die Persönlichkeiten der Geführten einschließlich deren individueller Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnissen in bezug auf den Führenden als auch auf die Situation.
                Die Gruppe als Ganzes als ein differenziertes und integriertes System von Status-Rollen-Beziehungen und von gemeinsamen Gruppennormen.
                Die Situation, in der sich Führungskraft und Gruppe befinden. Hierzu gehören die Art und Weise der zu bewältigenden Aufgabe, das Gruppenziel und sonstige äußere Bedingungen.“ (Interpunktion und überhaupt alles im Original)
Man beschäftigt sich also mit Teilaspekten, was auf viel größere Genauigkeit und Differenziertheit und unvergleichlich mehr Tiefgang hoffen läßt, als wenn man sich nur mit Aspekten oder Teilen beschäftigte. Einer nennt „zur“ Führungspsychologie vier Variablen. Eine Variable, so erfahren wir, kann ein Wegbereiter einer Theorie sein, was neu sein dürfte in der Geschichte der Wissenschaft, denn bisher waren die Wegbereiter von Theorien immer Wissenschaftler. – Das Zitat ist bei weitem noch nicht umfassend gewürdigt, ich will aber trotzdem gleich zum Ende kommen. Und zwar wird der ganze Definitionsversuch so gekrönt und abgeschlossen: „Werden diese Elemente durch Führungsziele, Führungsinstrumente bzw. den gemeinsam zu erzielenden Erfolg ergänzt und systemtheoretisch in einen Regelkreis eingebracht, dann entsteht der personenorientierte Führungsprozess.“
Ich war bisher der Meinung und bin es im Grunde immer noch, daß schon Arminius der Cherusker seine Horden in einem höchst erfolgreichen personenorientierten Führungsprozeß in den Teutoburger Wald geführt hat, und der hat doch sicher nicht Elemente systemtheoretisch in einen Regelkreis eingebracht, der hatte gar keine Ahnung, daß es so etwas überhaupt gibt. Eher wäre das schon dem Varus als einem gebildeten Römer zuzutrauen, aber der hat seine Elemente bekanntlich nicht um den Erfolg ergänzt, weshalb das der Definition zufolge kein Führungsprozeß gewesen sein kann, was er da mit seinen Legionen gemacht hat. Alles in allem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Führungsprozesse, mittels derer Wikipedia seine (oder heißt es ihre?) Autoren zum gemeinsam zu erzielenden Erfolg leitet, noch einiges zu wünschen übrig lassen.




[1] (27.8.2010)

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