Montag, 1. Februar 2016

Freundlichkeitskultur

Der Internetauftritt kinderfreundlichkeit.com gehört einer „Initiative für mehr Kinderfreundlichkeit in Herne und Umgebung“.[1] Darauf haben wir schon lange gewartet. Die Kinder in Herne und Umgebung waren ja auch sowas von unfreundlich. Auch für die Umweltfreundlichkeit sollte man etwas tun. Seit Wochen regnet es bei Temperaturen um die 10 Grad, und das im Februar. Insbesondere die klimatischen Umweltfaktoren (nach WikipediaStrahlungsverhältnisse, die Lufttemperatur und die Luftfeuchtigkeit, Niederschläge, sowie verschiedenste Wettererscheinungen, wie Nebel, Winde oder Blitze“) verhalten sich außerordentlich unfreundlich. Dabei haben wir ihnen doch gar nichts getan.
Aber, so wendet einer ein, kinderfreundlich heißt doch nicht, daß die Kinder freundlich sind, sondern daß man zu den Kindern freundlich ist. Menschenfreundlich ist der Philanthrop, der Menschenfreund, der Freund der Menschen. Gut, aber die Kinderfreundlichkeit ist die Freundlichkeit der Kinder, wenn sie auch im Zuge der vor, glaub ich, etwa drei bis vier Jahrzehnten ausgebrochenen Freundlichkeitsepidemie die Nebenbedeutung der Freundlichkeit zu den Kindern angenommen hat. Und wie ist's, frag’ ich, mit diesem Satz: „Leicht und vitaminreich und deshalb ebenfalls höchst saunafreundlich: die leckere Salatauswahl.“[2] Oder mit wellnessfreundlich und schnäppchenfreundlich? Wie soll man das anstellen: zur Wellness und zum Schnäppchen oder zur Sauna freundlich sein?
Die Epidemie hat teils zu erwartende, teils erstaunliche Kreationen hervorgebracht: suchmaschinenfreundlich, servicefreundlich, jobfreundlich, spaßfreundlich, eventfreundlich, outdoorfreundlich, actionfreundlich, aktionsfreundlich, kompetenzfreundlich, aber eigenartigerweise nicht sprach- und kernkompetenzfreundlich, sexfreundlich (angeblich das Christentum in Wirklichkeit), dynamikfreundlich, nachhaltigkeitsfreundlich (überhaupt alles, wozu man auch -gerecht sagen kann), nicht nur kundenfreundlich, sondern auch kundennah und preisfreundlich. Businessfreundlich ergab nur 115 Google-Treffer (businessgerecht auch nicht allzu viel mehr, nämlich 542) – überraschenderweise, wo doch der Zeitgeist zu nichts freundlicher ist als zum Geschäftswesen. Nicht weniger erstaunlich: genderfreundlich nur 106, dagegen die Hundert-Prozent-Synonyme – soll bloß kein Schlaumeier daherkommen und widersprechen – gendergerecht 18.700, frauengerecht 5.770, frauenfreundlich 52.600. Migrationsfreundlich aber, man mag es kaum glauben, erbrachte lediglich 166 Treffer, migrantenfreundlich 749, die Synonyme migrationsgerecht und migrantengerecht nur 76 bzw. 75. Integrationsgerecht kam nur auf 10, integrationsfreundlich aber auf die vergleichsweise ungeheure Zahl von 2.310.
Wer löst dies Rätsel nur? Wer hilft mir auf die Spur? (Gasparone)





[1] http://www.kinderfreundlichkeit.com/
[2] http://www.2bstar.de/advert/show/sort/Auctions.priceSegment/dir/desc/page/10/var/404/kostbar

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